Wippen im Garten

Ein Beitrag von Judith Sinnhuber.


1 alltägliche Spielsituation

4 unterschiedliche Bildungsgelegenheiten

Anna geht es ums Auch-tun-wollen. Sie versucht, Cornelia von der Wippe zu ziehen und sagt: "Anna auch!" Anhand der Reaktionen bekommt sie soziales Feedback auf ihr Verhalten: Cornelia verzieht das Gesicht und maunzt ärgerlich. Ich löse Annas Hand von Cornelias Jacke und weise darauf hin: „Jetzt wippt Cornelia.“ Und ich ergänze: „Warte ein bisschen, wir machen bald einen Wechsel. Dann kannst du wippen.“ Die Botschaft („Beende dieses Verhalten!“) kommt über verschiedene Sinneskanäle bei Anna an (Hören, Sehen, Fühlen), ist sachlich formuliert, klar verständlich und eindeutig. Das hilft ihr, die Unangemessenheit des Verhaltens zu begreifen, ohne sich als Person herabgewürdigt zu fühlen. Anna übt sich derzeit in vielen ähnlichen Situationen darin, ein Bedürfnis aufzuschieben und zu erkennen, dass auch andere Kinder Bedürfnisse, Wünsche und Vorstellungen haben, und dass diese nicht zwangsläufig mit ihren eigenen übereinstimmen. So gesehen stellt die Kinder-Gruppe eine große Herausforderung dar, weil Gleichaltrige oft weniger geneigt sind, nachzugeben, als das Erwachsene eventuell tun würden. Gleichzeitig bietet sie jedem Kind die Gelegenheit, soziale Verhaltensregeln kennenzulernen, zu erproben und die erfolgreichsten zu festigen – also jene, mit denen das Kind seine Ziele am ehesten erreichen kann. Bildungsbereich Emotionen & soziale Beziehungen

 

Sobald Alma bei uns im Kindergarten ist, wählt sie Beschäftigungen, die sie in ihrer Motorik (Bewegungsfähigkeit) herausfordern, sei es auf grobmotorische Weise (Laufen, Klettern, Rutschen, Krabbeln u.dgl.) oder auf feinmotorische Art (z.B. Schneiden oder Kneten). Welcher Form der motorischen Betätigung Alma nachgeht, hängt natürlich stark vom Angebot des jeweiligen Raumes ab, und es macht den Anschein, dass sie ihre Bewegungsfähigkeit auf möglichst vielfältigen Wegen erproben und verfeinern möchte. So überrascht es nicht, dass im Garten die Wippe besonderen Reiz auf Alma ausübt, denn diese bietet wie kein anderes Gerät das Erleben eines rhythmischen Auf und Ab, des einmal-oben-und-dann-wieder-unten-Seins. Bildungsbereich Bewegung & Gesundheit

 

Bei Cornelia ist neben der Bewegungsfreude beim Wippen auch schon ein Verständnis für spezifische mathematische Größen bzw. physikalisch-technische Gesetze beobachtbar: Als die Wippe ins Stocken gerät, trägt sie durch ihr eigenes Gewicht zur Schwerpunktverlagerung bei, indem sie sich zuerst links, dann rechts von der Bodenverankerung auf den Holzbalken lehnt. Dadurch kommt die Wippe wieder in Gang, und Cornelia hält die Bewegung am Laufen, indem sie ihr Vorgehen wiederholt. Anna und Alma hätten das in diesem Moment von sich aus nicht geschafft, denn noch haben sie kein Bewusstsein dafür, dass sie selbst durch Schwerpunktverlagerung bzw. Abstoßen mit den Beinen die Bewegung aufrechterhalten können. Bildungsbereiche Bewegung & Gesundheit sowie Natur & Technik

 

Iris zeigt in dieser Situation ihre Fähigkeiten auf verschiedenen Ebenen. Einerseits ist bei ihr – ebenso wie bei Cornelia - ein Bewusstsein für spezifische mathematische Größen bzw. physikalisch-technische Gesetze erkennbar, andererseits ist sie darüber hinaus auch schon in der Lage, ihre Wahrnehmung in Worte zu fassen. So meint sie beispielsweise „Do samma z´schwer“, als Anna und Alma sich beide auf ihrer Seite der Bodenverankerung auf den Holzbalken setzen und dadurch die Wippe zum Stillstand bringen. Und selbst, nachdem ich Anna dazu veranlasst habe, auf Cornelias Seite zu wechseln, kommt sie nicht wieder in Gang. Iris stellt erneut fest: „Do samma imma nu z´schwer.“ Sie kann offenbar nachvollziehen, dass es einen Zusammenhang zwischen dem Ausgangszustand (zu schwer), der Handlung (Gewichtsverlagerung) und dem Zielzustand (immer noch zu schwer) gibt. Es wäre denkbar, dass Iris in der nächsten Zeit vermehrt Gelegenheiten suchen wird, in denen sie diese Erfahrung anhand weiterer Experimente im Umgang mit (Gleich-)Gewicht testen kann. Eine Balken-Waage oder ein Wipp-Brett könnten sie dabei unterstützen. Bildungsbereich Natur & Technik

 

Hinweis:

Näheres zu den einzelnen Bildungsbereichen können Sie bei Interesse im Bundesländerübergreifenden BildungsRahmenPlan nachlesen. Sie finden ihn bei den Downloads.