Angst vor dem Nikolaus

ein Beitrag von Judith Sinnhuber


Immer wieder berichten uns Eltern davon, dass ihr Kind sich vor dem Nikolaus fürchtet, meist gepaart mit der Frage danach, wie wir die Kinder auf seinen Besuch vorbereiten. Wir stellen Ihnen hier also unsere Herangehensweise vor:

 

Im Kindergarten erwähnen wir den Nikolaus schon bald nach dem Martinsfest - die Zeitspanne zwischen den beiden Festen ist ja doch sehr kurz. Unser vorrangiges Ziel ist es, neben all den Besonderheiten, die so ein Feiertag mit sich bringt, das Geschehen für die Kinder vorhersehbar zu machen. Was heißt das? Damit Kinder ein Fest genießen können, brauchen sie die Sicherheit, dass nichts Schlimmes passieren wird. Sicherheit haben Kinder in der Regel in Situationen, die ihnen vertraut sind. Dieses Vertrauen bauen Kinder am ehesten dann auf, wenn solche Ereignisse einen gleichbleibenden, wiederkehrenden Ablauf haben. Wir haben deshalb ein Morgenritual entwickelt, das jeden Tag zur gleichen Zeit stattfindet und nach demselben Muster verläuft. Wichtige Elemente aus diesem Ritual übernehmen wir dann in die Feier. Durch die Vorhersehbarkeit der Festelemente sind die Kinder ihrer Aufregung nicht vollends ausgeliefert und können das Fest besser mitgestalten und vor allem genießen.

 

Zusätzlich bieten wir den Kindern in den Funktionsräumen verschiedene Materialien und Beschäftigungen an, durch die sie angeregt werden, sich mit dem Nikolaus auf unterschiedlichste Weise auseinanderzusetzen:

  • Bilderbücher
  • Werkarbeiten
  • Rollenspiel-Utensilien
  • Didaktische Spiele, wie z.B. Puzzles
  • Gespräche
  • Fingerspiele/Singspiele

Am Tag des Festes lässt sich eine gewisse Aufregung natürlich trotzdem nicht komplett vermeiden.

 

 

 

 

 

 

Beim Nikolausfest ist die Aula festlich geschmückt. Ein besonderer Platz ist für den Nikolaus vorbereitet. Dort befindet sich schon sein Gewand, und der Nikolausstab steht bereit. 

 

 

 

 

 

 

 

Zur Jause gibt es Erdnüsse und Mandarinen, und die Teelichter in den Gläsern leuchten.

 

 

 

 

 

 

Wir bemühen uns jedoch darum, den Tagesablauf insgesamt nicht zu verändern, damit die Kinder möglichst viele vertraute Situationen erleben.

Und selbst dann kann es vorkommen, dass einzelne Kinder sich vor dem Nikolaus fürchten.

So unterschiedlich, wie die Kinder auf den Besuch des Hl. Bischofs reagieren, so unterschiedlich sind auch unsere Angebote der Unterstützung für jedes einzelne Kind. Hier ein paar Beispiele:

 

Greta ist am Vorabend schon zu Hause vom Nikolaus besucht worden. Offenbar hat sie dieses Erlebnis aufgewühlt, sodass sie schon der Anblick der Nikolaus-Kleidung in der Aula beunruhigt. Sie verzichtet auf die Jause und zieht sich ins Atelier zurück, wo sie mit Knetmasse arbeitet. Als die beiden Praktikantinnen, welche ihr dabei Gesellschaft geleistet haben, dann auch zum Fest gehen, lässt sie sich darauf ein, das Geschehen in der Aula aus sicherer Entfernung zu beobachten. Trotz des intensiven Körperkontakts ist ihre Anspannung nicht zu übersehen.

 

 

 

 

 

Emma und Leander sind ebenfalls irritiert vom Nikolaus-Besuch des Vorabends. Sie wollen nicht einmal in die Nähe unseres Bischofs kommen, sondern ziehen es vor, im vertrauten Gruppenraum zu bleiben. Dabei suchen sie intensiven Kontakt.

 

 

Alma ist als einzige der jungen Kinder von Anfang an beim Fest mit dabei. Sie findet Sicherheit in der unmittelbaren Nähe ihres Bruders. Die beiden haben sich für einen Platz am hinteren Ende der Aula entschieden, also mit größtmöglichem Abstand zum Nikolaus.

Dank unseres Adventwandertaschen-Babys kann sich Alma zwischendurch kurz ablenken - eine ausgezeichnete Möglichkeit, innere Spannung abzubauen.

Obwohl wir natürlich die Entscheidung jedes dieser Kinder absolut akzeptieren, ist eines klar: Wenn es uns heute nicht gelingt, ihnen einen positiven Kontakt mit dem Nikolaus zu ermöglichen, werden sie sich weiterhin vor ihm fürchten - und zwar ein ganzes Jahr lang!

Was können wir tun? Auf keinen Fall wollen wir sie zwingen oder überreden, doch noch in die Aula zu gehen. Diese Entscheidung müssen sie selber treffen. Hier einige unserer Strategien:

  • offene Türen: Der Klang des vertrauten Nikolausliedes macht die Situation weniger befremdlich und weckt eventuell die Neugierde.
  • Das Adventwandertaschen-Baby sollte ursprünglich Emma dazu motivieren, einen Blick in die Aula zu riskieren. Sie mag diese Puppe sehr, und die Idee war, dass Emma dem Baby, welches das Fest auf keinen Fall versäumen will, nachkommen würde. Diese Strategie hat zwar für Emma nicht funktioniert, die Puppe ist aber für Alma während des Festes hilfreich.
  • Alternativen minimieren: Sobald Greta im Atelier nicht mehr die Aufmerksamkeit der beiden Praktikantinnen hat und vor der Wahl steht, entweder alleine im Atelier zu spielen oder gemeinsam mit einer vertrauten Person aus sicherer Entfernung das Nikolaus-Geschehen zu verfolgen, ist ihre Bereitschaft, sich darauf einzulassen, gegeben. Natürlich mit der Zusicherung, jederzeit umkehren zu können.

Und siehe da...

Zunächst beobachten wir genau, wie die älteren Kinder - eines nach dem anderen - zum Nikolaus gehen, ihr Sackerl in Empfang nehmen und sich danach wieder hinsetzen. Das selbstverzierte Sackerl trägt (neben dem zu erwartenden Inhalt) durch seinen hohen Wiedererkennungswert wesentlich dazu bei, den Mut aufzubringen, es auch vom Nikolaus abzuholen.

 

 

 

 

 

 

Sobald diese Hürde überwunden ist, löst sich die Anspannung und wandelt sich in eine stolze Aufgeregtheit.

Und der leckere Inhalt des Sackerls tut sein Übriges...

Wichtig:

Diese erste positive Begegnung mit dem Nikolaus garantiert nicht, dass eine neuerliche Begegnung im kommenden Jahr angstfrei verlaufen wird. Die Kinder brauchen bis dahin wiederholt die Gelegenheit, sich mit dem Ereignis "der NIkolaus kommt" auseinanderzusetzen. Am besten gelingt das, wenn die positiv besetzten Elemente (z.B. das Nikolauslied, ein Bilderbuch, das Sackerl, Fotos vom Fest) auch nach dem Fest noch eine Weile zur Verfügung stehen (warum nicht mal ein Nikolauskostüm im Fasching anbieten?). Einzelne Kinder kommen auf solche Angebote häufig über einen längeren Zeitraum zurück und verarbeiten durch den wiederholten Umgang ihre persönlichen Erfahrungen.

Ähnliches gilt auch für die Wochen vor dem nächsten Nikolaus-Besuch. Fotos und vertraute Materialien regen dazu an, sich daran zu erinnern, wie es im letzten Jahr war. Dadurch haben nicht nur die Kinder die Gelegenheit, sich frühzeitig mit dem neuerlich bevorstehenden Ereignis auseinanderzusetzen, sondern wir Erwachsene können auch beobachten, ob ein Kind immer noch Anzeichen von Angst zeigt und es dementsprechend begleiten.