Kennen Sie das...?
Für uns Erwachsene sind solche Situationen oft nervenaufreibend, weil wir unseren Blick nur auf die zusätzliche Arbeit richten, die uns durch das kindliche Planschen entsteht (Kind und Bad trockenlegen). Überdies bleibt es meist nicht bei einem einmaligen Ereignis. Wenn Kinder erst einmal ihre Lust am Pritscheln entdeckt haben, nutzen sie jede sich bietende Gelegenheit dazu.
Kinder ähneln in ihrem Vorgehen Wissenschaftler*innen:
Sie haben eine Vermutung, wie etwas funktionieren könnte. Auf verschiedensten Wegen versuchen sie herauszufinden, ob ihre Vorstellung richtig ist (darum die vielen Wiederholungen).
Wenn sie einen Widerspruch entdecken, verändern sie ihr Vorgehen und forschen weiter. Auf diese Weise erwerben bzw. erweitern und vertiefen sie ihr Wissen.
Was Pritscheln mit Lernen zu tun hat, fragen Sie? Hier ein Beispiel aus dem Nestgruppen-Alltag:
Für Frieda wäre ein Händewaschen ohne ausgiebiges Spiel mit Wasser und Seife undenkbar.
Da auch im Kindergarten-Alltag nicht immer ausreichend Zeit ist, diesem lustvollen Tun gebührend Raum zu geben, bieten wir den Kindern der Nestgruppe derzeit die Möglichkeit, während der Offenen Phase zu pritscheln. Um dieses gezielte Angebot klar von der herkömmlichen Planscherei unterscheidbar zu machen, wird dafür der Waschraum mit einer rutschfesten Matte ausgelegt, die Kleidung bis auf ein Leiberl abgelegt und es gibt spezielle - unbedenkliche und pflegende - Produkte zur Schaumproduktion.
Um Schaum zu bekommen, müssen die Kinder den rosa Klumpen unter Wasser mit ihren Fingern zerbröseln.
Sofort schöpfen sie mit ihren Händen den Schaum ab und lassen ihn zwischen ihren Fingern durchgleiten - immer und immer wieder.
Manchmal berühren sie mit ihren Gesichtern beinahe den Schaumteppich. Es macht den Eindruck, als müssten sie dem Impuls widerstehen, ihren Kopf einzutauchen.
Nino pustet ganz kräftig in eine Hand voll Schaum hinein. Er erlebt, dass sich der Schaum dadurch bewegen lässt.
Womöglich hat er diese Erfahrung schon einmal in der Badewanne gemacht und testet jetzt, ob der Schaum im Kindergarten genauso reagiert wie der, den er von zu Hause kennt?
Nino will dieses spannende Material mit verschiedenen Sinnen erleben. Er betrachtet und befühlt den Schaum nicht nur, sondern schleckt auch über sein Handgelenk.
Über die Zunge/den Mund bekommt er zusätzliche Informationen über den Schaum: Geschmack, Konsistenz, Temperatur...
Frieda beobachtet Nino ganz intensiv bei dem, was er tut. Viele seiner Ideen greift sie auf. Er wiederum freut sich darüber, dass sein Tun auf Frieda solche Wirkung zeigt.
Die beiden lernen hier nicht nur etwas über das Verhalten von Seife und Wasser in physikalischem Sinne. Ihr gemeinsames Spiel bietet gleichzeitig die Gelegenheit zum Lernen unter Gleichaltrigen. Diese Form des sozialen Lernens unterscheidet sich erheblich von den bisherigen Erfahrungen im Zusammensein mit Mama und Papa. (Z.B. gibt ein gleichaltriges Kind ein begehrtes Spielzeug nicht ohne Weiteres auf, wenn ein anderes es haben möchte. Eltern geben beim Spielen mit ihrem Kind ein Spielzeug in der Regel gerne ab, wenn ihr Kind es haben möchte, v.a., wenn es "lieb bitte sagt".)
Ups, plötzlich schwappt das Wasser über den Rand des Waschbeckens auf den Boden.
Ein kurzer Blick und dann ist klar - gleich nochmal!
Auf einmal bemerkt Frieda, dass ihr Leiberl nass geworden ist.
Da ist der Spaß für sie vorbei. Sie will jetzt ganz schnell wieder trocken werden.
Das Aufwischen des Bodens ist aber gleich wieder ein lustiges Spiel.
Wahrscheinlich liegt der Grund für die bereitwillige Mithilfe darin, dass Kinder Tätigkeiten, die sie täglich erleben (wie Essen, Einkaufen, Putzen und dgl.) selber machen wollen. Sie eignen sich bei der Zusammenarbeit mit Erwachsenen das nötige Wissen über den Ablauf solcher Alltagshandlungen (sog. Scripts) an und lernen die dabei verwendeten Gegenstände sowie deren Handhabung kennen. Darüber hinaus erwerben sie das entsprechende Vokabular. Im Spiel mit Gleichaltrigen wird das neu aufgebaute Wissen angewandt.
Kinder bei ihrem selbstgewählten Spiel zu beobachten gibt deshalb Aufschluss über die Themen, die sie gerade besonders interessieren und über ihren diesbezüglichen Wissensstand (Im Fachjargon
sprechen wir von kognitiven Schemata).